Zum Hintergrund:
Im Herbst 2019 hat das Bundeskabinett das “Aktionsprogramm Insektenschutz” beschlossen[1]. Wichtige Säulen des Aktionsprogramms sind, neben der Bereitstellung von Fördermitteln für den Insektenschutz und die Insektenforschung, verbindliche rechtliche Vorgaben durch ein Insektenschutzgesetz und “parallelen Rechtsverordnungen mit Änderungen im Naturschutzrecht, Pflanzenschutzrecht, Düngerecht sowie Wasserrecht”. Darüber hinaus werden der Schutz und die Wiederherstellung von Insektenlebensräumen, eine deutliche Reduzierung des Pflanzenschutzmittel- und Schadstoffeintrags in Insektenlebensräume und eine Eindämmung des “Staubsaugereffekts” auf Insekten durch Licht als zentrale Maßnahmen herausgestellt. Das Programm sieht eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen vor, die vor allem durch die Reduzierung des Pflanzenschutzmitteleintrags die Landbewirtschaftung direkt betreffen, u.a. durch das Verbot von Herbiziden und biodiversitätsschädigenden Insektiziden in Naturschutzgebieten (inkl. FFH-Gebieten und Vogelschutzgebieten mit Bedeutung für den Insektenschutz), die verbindliche Festlegung von Gewässerrandstreifen auf denen kein Pflanzenschutz möglich ist.
Für die als “Insektenschutzgesetz” bezeichnete Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes ist das Bundesumweltministerium (BMU) zuständig, für die Änderung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes über die Pflanzenschutzanwendungsverordnung liegt die Zuständigkeit beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Ein unabgestimmter Referentenentwurf über eine Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes führte 2020 zu massivem Streit zwischen den beiden Ministerien. Darin wurden entgegen der Zuständigkeiten Gewässerabstände definiert sowie die Flächenkulisse der Schutzgebiete erweitert. Das BMEL erstellte zunächst einen im Sinne der Landwirte ausgerichteten Entwurf für die Pflanzenschutzanwendungsverordnung. Darin wurde versucht die Definition von Schutzgebieten zu beschränken und FFH-Gebiete nicht einzubeziehen sowie einen fünf Meter Gewässerrandstreifen mit einem Einzugsgebiet von 10 km² zu erwirken. Durch diese Lösungen sollte eine Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes vermieden werden. Bei dem Einsatz von Glyphosat sollte es Einschränkungen, aber kein Komplettverbot geben.
Zur Situation:
Nach intensiven Verhandlungen zwischen BMU und BMEL hat das Bundeskabinett am 10. Februar 2021 das Insektenschutzpaket bestehend aus dem Entwurf zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes sowie dem Entwurf zur Änderung der Pflanzenschutzanwendungsverordnung beschlossen, die nun zur Beratung in den Bundestag und den Bundesrat gehen. Eine Beratung und Beschlussfassung ist noch vor der Sommerpause 2021 und den Bundestagswahlen beabsichtigt. Im aktuellen Verordnungsentwurf zur Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung wurden die Pflanzenschutzmittelverbote auch auf FFH-Gebiete ausgeweitet, mit einer Ausnahme für Ackerland in FFH-Gebieten bis Juni 2024. Der Gewässerrandstreifen wird von 5 Meter (gültig in NRW) auf 10 Meter erhöht, es sei denn der 5 Meter Streifen ist dauerhaft begrünt. Ein Einzugsgebiet von 10 km² ist noch strittig. Für den Einsatz von Glyphosat soll es schärfere Auflagen geben. Ab 2024 ist der Einsatz von Glyphosat verboten. Kooperationslösungen sind dabei nicht vorgesehen, ebenso wenig Ausgleichszahlungen und länderspezifische Vereinbarungen.
Davon wären nach groben Angaben 150.000 ha in Nordrhein-Westfalen betroffen. Neben gewässernahen Flächen und Uferrandstreifen betreffen diese Regelungen auch Grünland und Ackerflächen in FFH-Gebieten, beispielsweise auch die besonders fruchtbaren Böden der Hellwegbörde (FFH-Gebiet, Vogelschutzgebiet).
Folgen für die Landwirte:
Der Schutz von Insekten und die Förderung der Biodiversität werden von den Landwirten nicht nur unterstützt, sondern maßgeblich mitgetragen, denn sie sind Grundlage für das Wirtschaften auf den Höfen. Folglich wird nicht die Zielsetzung des “Aktionsprogramms Insektenschutz” und des Insektenschutzgesetzes abgelehnt, sondern vielmehr die Umsetzung der darin vorgesehenen ordnungsrechtlichen Maßnahmen. In dieser Form wirkt sich das Gesetzesvorhaben nachteilig auf den erfolgreich praktizierten Vertragsnaturschutz und kooperative Lösungen zwischen Landwirtschaft und Naturschutz zur Förderung des Insektenschutzes, die Bewirtschaftern Anreize für standortgerechte Maßnahmen bieten, aus. Die geplanten Verbote drohen dem Ziel des Insektenschutzes sogar entgegenzustehen, z.B. wenn durch verordnete Einschränkungen eine vielfältige Flächenbewirtschaftung zugunsten pflanzenschutzmittelextensiver Kulturen, wie beispielsweise dem Mais verringert werden, oder durch vermehrt mechanische Unkrautbekämpfung der Schutz von Bodenbrütern in Vogelschutzgebieten in Gefahr gerät. Die wirtschaftlichen Folgen des Gesellschaftsziels Insektenschutz werden anstatt über die Gesellschaft so auf die Schultern der Flächeneigentümer und -nutzer geladen. Neben einem Rückgang im Ertragspotential der Flächen führt auch eine Minderung des Flächenwerts zur Belastung der Landbewirtschafter. Wir erachten politische Leitlinien auf Basis von Geboten, beispielsweise der “guten fachlichen Praxis”, statt Verboten als sinnvoll. Der Artenschutz muss zum Wohl aller gestärkt und bestehende Defizite im Artenschutz müssen verringert werden. Dazu sollten anstelle von Verboten kooperative, intelligente und angepasste Maßnahmen und Gebote einen wertvollen Beitrag leisten.